Zwischen Rente und Arbeit: Die Zukunft der Pensionierung

0 Shares

Auch nach Erreichen des Referenzalters wollen immer mehr Pensionierte weiterarbeiten. Das schafft Möglichkeiten, birgt aber auch Herausforderungen. Es braucht sowohl politische Massnahmen als auch ein Umdenken bei Unternehmen, um die Bedingungen für ältere Arbeitnehmende zu verbessern. Peter Burri Follath sprach mit Alexander Widmer (siehe Bild), Leiter Innovation und Politik und Mitglied der Geschäftsleitung von Pro Senectute Schweiz, über diese Themen.

Alexander Widmer, immer mehr Menschen in der Schweiz arbeiten freiwillig über das Rentenalter hinaus. Was sind die Hauptgründe dafür?

Die Gründe sind vielfältig. Viele möchten einfach weiter einer Beschäftigung nachgehen und ihre Erfahrung einbringen. Aber natürlich spielen auch finanzielle Gründe eine Rolle. Es gibt Menschen, die ohne das «zusätzliche» Einkommen weniger gut über die Runden kämen.

Verständlich. Wie müssen Unternehmen auf diesen Trend reagieren?

Zunächst müssen Unternehmen umdenken. Sie müssen den Wert und die Kompetenzen der älteren, oft langjährigen Mitarbeitenden erkennen. Weiter müssen die Unternehmen flexibler werden und individuelle Lösungen anbieten. Sie sollten Modelle wie die Bogenkarriere ermöglichen, bei der ältere Mitarbeitende ihren Beschäftigungsgrad reduzieren und teilweise Führungsverantwortung abgeben können. Das hält – kombiniert mit Weiterbildungsmöglichkeiten – die Motivation hoch und nutzt ihre wertvolle Erfahrung. Es spart auch einiges an Zeit und Geld, wenn man nicht ständig neue Leute suchen und einarbeiten muss – Stichwort Fachkräftemangel.

Welche Massnahmen auf politischer Ebene sind Ihrer Meinung nach notwendig?

Es gibt mehrere Punkte, bei denen man ansetzen könnte. Die Reform AHV21 war mit der Flexibilisierung der Pensionierung ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber es gibt weiterhin sozialversicherungsrechtliche Hürden, die ein Weiterarbeiten nach dem Referenzalter unattraktiv machen. Eine Abflachung der Altersgutschriften, höhere Zuschläge und Freibeträge sind notwendig. Auch die Krankentaggeldversicherungen müssen sich anpassen. Schliesslich sollen auch Menschen über 70 abgesichert sein. Bei der Invalidenversicherung (IV) muss auch in höherem Alter eine Umorientierung möglich sein. Die Menschen möchten arbeiten und nicht von der IV abhängig sein.

Was sagen Sie zu den Vorurteilen gegenüber älteren Mitarbeitenden?

Diese Vorurteile sind meist völlig unbegründet. Früher galten ältere Mitarbeitende als unflexibel und wenig technikaffin. Heutzutage bewegen sich auch ältere Mitarbeitende in der digitalen Welt und bringen Erfahrung und Gelassenheit mit, was in stressigen Situationen wertvoll ist.

Welche Rolle spielt das Arbeitsklima?

Ein gutes Arbeitsklima ist entscheidend. Wenn ältere Mitarbeitende das Gefühl haben, geschätzt zu werden, bleiben sie motiviert und engagiert.

Was können Unternehmen sonst noch bieten?

Neben einer entsprechenden angepassten Arbeitsumgebung sollten Unternehmen auch Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten. Lebenslanges Lernen ist nicht nur ein Schlagwort, sondern eine Notwendigkeit.

Wie sieht die Zukunft der Pensionierung in der Schweiz aus?

Die klassische Vorstellung vom Ruhestand wird sich weiter ändern. In Zukunft werden die Menschen häufiger teilweise in Rente gehen, aber weiterhin – in reduzierten Pensen – beruflich aktiv bleiben. Dies bietet sowohl den Mitarbeitenden als auch den Unternehmen Vorteile. Die Zukunft der Pensionierung wird flexibler und individueller.

Es scheint, als ob hier noch viele Herausforderungen warten.

Die Arbeitswelt und die Gesellschaft ändern sich ständig. Dem müssen auch die Sozialversicherungen Rechnung tragen. Wie so oft müssen alle zusammen Lösungen finden. Für die nahe Zukunft gilt das Credo: Wer will und kann soll weiterarbeiten dürfen, wer nicht kann oder möchte, soll nicht weiterarbeiten müssen.

(Text: Peter Burri Follath)

p.s. Magazin

Jetzt Beitrag teilen: