Wer Zeit mit Kindern verbringt, gestaltet die Zukunft

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Félice Angehrn hilft Kindern, wenn der Schulstoff Mühe bereitet, und entlastet Lehrer im fordernden Unterrichtsalltag. Als Klassenhilfe hat sie eine erfüllende Aufgabe gefunden.

Doch was genau macht eine Klassenhilfe? «Ganz einfach, ich biete Unterstützung beim Lernen», sagt Félice Angehrn und ergänzt: «Ich muss nichts vorbereiten. Wenn ich komme, gibt mir der Lehrer Aufgaben.» Die 65-Jährige bleibt bei ihrer Arbeit mit einem Kind meist im Klassenzimmer, der Unterricht läuft also parallel weiter. Nur bei Aufgaben, die hohe Konzentration erfordern, wechselt sie in den Gruppenraum. «Ich will explizit keine Nachhilfe geben. Ich will eine Hilfestellung für den Lehrer sein», erklärt die Teufnerin und fährt fort: «Der Lehrer schickt zu mir Kinder, die Probleme haben, beispielsweise beim Schreiben oder Rechnen. Nebenbei mache ich aber auch Korrekturarbeiten.»

In der Schuleinheit Wilen in Herisau, dem Tätigkeitsfeld von Félice Angehrn, besuchen viele fremdsprachige Kinder den Unterricht. «Sie haben natürlich einen grösseren Unterstützungsbedarf. Reden geht, aber beim schriftlichen Ausdruck sind sie oft sehr schwach», macht die frisch Pensionierte eine besondere Herausforderung fest. Häufig werden darum miteinander Texte gelesen.

Auf Hilferuf reagiert

«Mein Einstieg als Klassenhilfe war in einer ganz wilden, lauten und grossen Klasse», sagt Angehrn in der Rückblende. «Ich hatte mich auf ein Inserat mit dem Aufruf ‹dringend Klassenhilfe gesucht› gemeldet – ohne pädagogische Vorbildung wohlgemerkt», so die gelernte Arztgehilfin weiter. Das war vor 15 Jahren. Ihren Dienst leistet sie uneigennützig, entlöhnt wird die Arbeit nicht. «Mir geht es sehr gut und ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben. Die Kinder sind allermeist ausgesprochen dankbar dafür, der Lehrer sowieso.» Kein Wunder, für den Unterrichtenden ist Félice Angehrn eine wertvolle Entlastung, die zur Beruhigung im Klassenzimmer beiträgt. «Es ist wichtig, Lehrern den Rücken frei zu halten. Sie bewegen sich in einem laufend anspruchsvolleren Spannungsfeld zwischen Schule, Kind und Eltern. Ein schöner Beruf ist schwierig und stressig geworden», sinniert sie.

Eine Sonderstellung

Als Klassenhilfe sieht sich Angehrn mit einem entscheidenden Vorteil gegenüber der Lehrperson: «Ich bin nur einmal in der Woche für drei bis vier Stunden da und habe deshalb eine Sonderstellung bei den Kindern. Ich bin die Nette, die Lobende. Bei mir haben auch Gespräche über Gott und die Welt Platz. Zudem darf ich bei aussergewöhnlichen Erlebnissen dabei sein: Ich begleite auf Schulreisen oder bei Waldtagen und wage mich auch mal mit Schlittschuhen aufs Eisfeld.» Sie mache das, solange ihre Dienste erwünscht seien: «Denn ich finde es sehr sinnvoll, sich mit Kindern zu beschäftigen. Wenn man Zeit mit ihnen verbringt, macht man etwas für die Zukunft.» Ausserdem werbe sie bei Leuten, die sie als Klassenhilfe geeignet finde. «Wer selber Kinder grossgezogen hat, wird die Aufgabe wahrscheinlich einfacher bewältigen», sagt die dreifache Mutter. Ausschlusskriterien für die Tätigkeit als Klassenhilfe gibt es nicht: «Du musst einfach gerne mit Kindern arbeiten und einfühlsam sein.»

Am Puls der Zeit bleiben

Als schöner Nebeneffekt bleibt man geistig beweglich und am Puls der Zeit. «Ich bin noch keine Grossmutter. Doch dank meinem Engagement bin ich stets à jour, was bei den Jungen passiert und immer voll dabei.» Zudem sind die Neun- und Zehnjährigen, die von Angehrn betreut werden, einigermassen «pflegeleicht». Oder wie sie es formuliert: «Die Dritt- und Viertklässler sind neugierig und schauen noch zu dir hoch. In diesem Alter kann man mit Schülern gut zurechtkommen, sie sind selbständiger als die ganz Kleinen aber noch nicht pubertär.»

Schule im Wandel

«Der Unterricht ist heute viel offener und menschlicher als zu meiner Zeit als Schulmädchen», blickt die Rentnerin zurück: «Man geht mittlerweile stark auf das einzelne Kind ein und wendet viel Zeit für den Nachwuchs auf.» Die Schule versuche im Unterschied zu früher das Positive am Kind zu betonen und nicht die Defizite. Also weg von Strafaufgaben, hin zu gezielter Förderung. Manchmal dürften die Lehrer allerdings ruhig etwas strenger sein, merkt Angehrn an: «Heute geniessen Kinder eine längere Leine, vielleicht manchmal eine fast zu lange.» Und sie philosophiert zum Schluss: «Ich hatte damals einen äusserst langweiligen Lehrer, wahrscheinlich hätte ich an einer Klassenhilfe Freude gehabt. Der Unterricht hätte Farbe vertragen. Gut, dass das Schulleben bunter geworden ist.»

Eine Bereicherung

Auch Alex Porta, Schulleiter in Herisau, sieht in der Arbeit von Klassenhilfen einen Gewinn für die Kinder wie auch für Unterrichtende: «Klassenhilfen im Schulzimmer sind für die Lehrpersonen und vor allem für die Schülerinnen und Schüler eine enorme Bereicherung. Unsere beiden Klassenhilfen setzen wir als niederschwelliges Unterstützungsangebot ein, um individuelle Hilfestellungen leisten zu können.» Übrigens: Weitere Klassenhilfen sind hoch willkommen. Wer Interesse hat, darf sich gerne bei der Schule Herisau unter Telefon 071 354 55 32 oder per Mail an melden.

Generationen im Klassenzimmer

Pro Senectute Appenzell Ausserrhoden hat ein Projekt für «Generationen im Klassenzimmer» in der Schublade, das nur noch auf seine Ausführung – sprich auf eine interessierte Schule und/oder freiwillige Seniorinnen und Senioren – wartet. Ältere Menschen stellen dabei Kindern Lebenserfahrung, Fachwissen, Geduld und Zeit zur Verfügung. Dies kann für die Schüler eine Bereicherung im Unterricht, für die Lehrkraft eine Entlastung und für die Freiwilligen eine beglückende Aufgabe sein. Die Seniorin oder der Senior ersetzt aber keinesfalls die Lehrperson, sondern soll lediglich eine Ergänzung und Unterstützung sein. Bei welchen Projekten und Aufgaben die Seniorinnen und Senioren dabei sein können, entscheidet die Lehrperson.

Kontakt: Sabrina Steiger, Pro Senectute Appenzell Ausserrhoden, Gossauerstrasse 2, 9100 Herisau, Telefon 071 353 50 30,

Matthias Bruelisauer

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