Der Schlaf älterer Menschen ist oft kürzer und stärker unterbrochen als in jungen Jahren. Was sind die Gründe für diese Veränderung und was die Auswirkungen? Ulrich Hemmeter, Leitender Arzt im Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden, stand dem PS-Magazin Rede und Antwort. Er ist Vorstandsmitglied der Schweizer Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie und gilt als ausgewiesener Fachmann im Bereich Schlafmedizin.
Herr Hemmeter, weshalb wird der Schlaf mit zunehmendem Alter kürzer und die nächtlichen Aufwachphasen nehmen zu?
Der Grund liegt primär in einer physiologischen Umstellung des Organismus mit einer Verlangsamung der Stoffwechselprozesse und einer veränderten Ausschüttung von Schlaf-assoziierten Hormonen, wie auch Immunfaktoren, die an der Schlafregulation beteiligt sind. Zudem sind wir mit zunehmendem Alter weniger aktiv, haben teils auch untertags Schlafphasen, so etwa einen längeren Mittagsschlaf oder kurze Nickerchen beim Fernsehen. Dadurch wird der Schlafdruck geringer, der Nachtschlaf kürzer und oberflächlicher. Es ist also ein Zusammenspiel von biologischen Alterungsprozessen und externen Einflüssen durch das Verhalten.
Nehmen also mit zunehmendem Alter auch die Tiefschlafphasen ab?
Ja. Dies hängt ebenso mit der physiologischen Veränderung biologischer Prozesse im Gehirn zusammen, aber auch mit dem oftmals erhöhten Anteil an Tagschlaf. Ein weiterer Grund ist, dass die Aktivität unserer inneren Uhr, dem sogenannten Nucleus suprachiasmaticus, der im Zwischenhirn lokalisiert ist, abnimmt. Der 24-Stunden-Rhythmus ist daher nicht mehr so stabil wie in jüngeren Jahren. Wir sind weniger aktiv und haben mehr Tagschlafphasen, deshalb nimmt die Amplitude zwischen Tag und Nacht ab und auch dadurch wird der Tiefschlaf weniger.
Warum verschieben sich im Alter die Schlafzeiten nach vorne?
Das hängt ebenfalls mit einer Abnahme der Aktivität der inneren Uhr zusammen, aber auch mit einem verändertem Schlaf-Wachverhalten im Alter. Ältere Menschen gehen oft schon früh zu Bett und haben nach sechs bis sieben Stunden ihren Schlafdruck aufgebraucht, sie wachen also um 3 oder 4 Uhr morgens auf. Selbst wenn sie dann einen Mittagschlaf machen, sind sie am frühen Abend bereits wieder müde und gehen (zu) früh zu Bett. Dies ist ein Kreislauf, der sich immer weiter im Hinblick auf ein früheres zu Bett gehen verstärkt und durch die schwächere innere Uhr auch gefördert wird.
Sind ältere Menschen generell häufiger von Schlafproblemen betroffen als jüngere?
Ja. Dadurch, dass man im Alter weniger Schlaf benötigt und der Schlaf oberflächlicher ist, kommt es häufig zu einem Erwachen mitten in der Nacht, wenn man zu früh zu Bett geht. Dieser an sich normale Vorgang wird dann oft als Schlafstörung empfunden. Dies kann durch ein verändertes Schlaf-Wachverhalten korrigiert werden.
Können auch Erkrankungen den Schlaf stören?
Zweifellos können körperliche Erkrankungen sowie neuropsychiatrische Erkrankungen, aber auch die Medikamente, die dabei eingesetzt werden, ein Grund für Schlafstörungen sein. Auch spezifische Schlafstörungen wie Schlaf-Apnoe und Restless-Legs-Syndrom treten im Alter häufiger auf und stören den Schlaf.
Steigt demnach mit fortschreitendem Alter das Risiko von Atemaussetzern im Schlaf?
Ja, Atemaussetzer im Schlaf sind ein Symptom der Schlaf-Apnoe, die mit dem Alter deutlich zunimmt.
Birgt chronischer Schlafmangel noch andere Gefahren?
Akut wirkt sich Schlafmangel auf die Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit am Tag aus. Insbesondere kognitive Funktionen, wie Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistungen, werden schlechter, können aber durch folgenden ausreichenden Schlaf korrigiert werden. Chronischer Schlafmangel hat die gleichen Effekte, die sich jedoch dann zunehmend verstärken. Zusätzlich erhöht chronischer Schlafmangel, besonders im mittleren Lebensalter, das Risiko für psychische Erkrankungen, wie Depression, aber auch Demenz, und ausserdem das Risiko für körperliche Erkrankungen, vor allem jene, die mit einer Schwächung des Immunsystems oder des Stoffwechsels einhergehen.
Wie kann man Schlafmangel entgegenwirken?
Zunächst ist festzustellen, ob überhaupt ein Schlafmangel vorliegt und nicht nur ein ungünstiges Schlafverhalten. Vielfach lässt sich mit einer Umstellung der Bettzeiten, der Tagesstruktur und der Tagesaktivitäten schon eine deutliche Besserung der Schlafstörung erzielen. Dies gelingt aber nur, wenn keine weiteren körperlichen oder psychischen Erkrankungen wie auch spezifische Schlafstörungen vorliegen. Ist dies der Fall, müssen sie von Spezialisten behandelt werden.
Was hilft beim Einschlafen?
Grundsätzlich gelten die klassischen Regeln der Schlafhygiene, die bei einer Schlafstörung unbedingt als erstes beachtet werden müssen. Lassen einen Gedanken nicht einschlafen, dann ist es gut, diese vor dem Zu-Bett-Gehen an einem ruhigen Platz zu sortieren. Sind es Probleme, die am nächsten Tag erledig werden müssen oder sind es Probleme, die einen längerfristigen Lösungsansatz benötigen? Solche längerfristigen Probleme sollte man aufschreiben und eine Zeit am Tag festlegen, an der man sich mit ihnen beschäftigen kann und möchte. Kommen solche Themen beim Einschlafen hoch, kommt die Gedankenstopp-Methode zum Einsatz. Das bedeutet, man sagt sich: «Stopp, ich habe mir dies überlegt und ich gehe es zur geplanten Zeit an». Muss am nächsten Tag das Problem gelöst werden, dann sollte man sich etwa zwei Stunden vor dem Schlaf damit beschäftigen und eine Lösung dafür finden, die man am besten aufschreibt und in einer Schublade deponiert. Kommt das Thema dann beim Einschlafen oder auch Erwachen mitten in der Nacht hoch, kann man wieder den Gedankenstopp nehmen und sich sagen, ich habe dies ja gelöst und aufgeschrieben – es ist sicher in der Schublade, ich muss mich nun nicht mehr damit beschäftigen. Hat man für ein Problem jedoch keine Lösung, wird man diese auch nicht nachts im Schlaf finden. Das gilt es zu akzeptieren, dann lässt es einen im Schlaf in Ruhe. Zusätzlich hilfreich sind auch Einschlafrituale, die aber am besten sehr individuell gestaltet werden.
Was lässt besser durchschlafen?
Grundsätzlich gilt, dass alles, was potenziell den Schlaf stören kann, entdeckt und korrigiert werden muss, erst dann kann man besser ein- und durchschlafen. Eine Grundregel für ein besseres Durchschlafen ist sicher, dass man den Schlafdruck erhöht, indem man später zu Bett geht und das Licht löscht – am besten nicht vor 23 Uhr bei über 65-Jährigen. Zudem sollte man regelmässig zur gleichen Zeit, üblicherweise nach etwa sechs bis sieben Stunden Schlaf, aufstehen und nach 14.30 Uhr auch keinen Mittagschlaf mehr machen sowie diesen auf 30 Minuten begrenzen.