Weniger kann so viel mehr sein

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Martin und Romy Stieger verbringen einen Grossteil ihrer Zeit auf dem Campingplatz. Was macht den Reiz, dieses einfachen Lebens aus?

Wer das pensionierte Paar in seinem Wohnwagen besucht, taucht in eine heimelige Atmosphäre ein. Das reduzierte Platzangebot wurde gemütlich eingerichtet, alles ist sehr aufgeräumt und wirkt zweckmässig – ein angenehm stiller Rückzugsort. Romy und Martin Stieger bezeichnen die paar Quadratmeter auf dem Camping Schönengrund denn auch treffend als ihre «Ruheoase».

Ein Doppelleben

Sie seien nicht immer Camper gewesen, sagen die beiden 49er-Jahrgänge. Im Vorfeld der Rente hätten sie sich ein Ferienhaus oder etwas Vergleichbares als Abwechslung zum Alltag in Wil gesucht. Da habe es sich gut getroffen, dass der Lastwagenchauffeur Martin bei der Arbeit mit einem ehemaligen Militärkameraden – und Platzwart des Camping Schönengrund – ins Gespräch gekommen ist. Ein fester Stellplatz war rasch vermittelt. So begann vor 15 Jahren eine herzliche «Wochenendbeziehung» mit einem Caravan. Eine Liebe, die mittlerweile auf drei bis vier Tage in der Woche gewachsen ist. «Je nach Wetter, Lust und Laune wechseln wir die Tapeten – im Sommer öfter als im Winter», sagen die beiden. Gemütlich sei es zu jeder Jahreszeit.

Die Mischung machts

Der Mix von städtischem Leben und Landluft biete wunderbare Abwechslung, erzählt Romy, die viele Jahre in der Spitalhotellerie tätig gewesen ist. Beide Standorte hätten ihre Vorzüge und seien gleichermassen ein Zuhause. Besonders geniesst sie in Schönengrund ihren Garten, wo sie «e chli oms Züüg nuusche» kann – das fehlt ihr in Wil. Auch die Privatsphäre im und um den Wohnwagen sei ein erfüllender Mehrwert. Romy freut sich, im Appenzeller Hinterland gut aufgenommen worden zu sein. Martin, der sogar Mitglied der Männerriege in Schönengrund ist, betont, sie hätten generell mehr Kontakte zur Dorfbevölkerung als zur «Camping-Clique». Das Klischee von Campern in Sandalen, die mit Dosenbier am Kohlegrill stehen, treffe für sie in keiner Weise zu. «Wir sind anders. Wir suchen nicht den Rummel. Freuen uns aber doch immer über Besuch.»  

Aufs Wesentliche beschränkt

Die Frage, ob sie im Caravan Abstriche in Kauf nehmen müssen, verneinen die Dauercamper mit Überzeugung. «Das Leben wird einfacher gehalten, aber nicht eingeschränkt. Der Haushalt gestaltet sich genau gleich wie in einer Wohnung – nur in kleinerem Massstab», führt Romy aus und Martin ergänzt: «Manche Handgriffe dauern halt ein wenig länger, aber wir haben ja Zeit». Der Wohnwagen hat zum Beispiel keinen Wasseranschluss, daher wird der Abwasch im Wirtschaftsgebäude, wo sich zudem Waschmaschine, Toiletten und Duschen befinden, erledigt. Stiegers verfügen in ihrem Wohnanhänger aber auch über ein eigenes kleines Bad. Dessen Abwasser wird in einem kompakten Tank aufgefangen, der gelegentlich geleert werden muss. Doch das ist ein kurzer Gang für den rüstigen Senior, der noch immer mehrstündige Führungen im Schwyzer Hölloch anbietet, einer der grössten Höhlen der Welt. Die Naturverbundenheit teilt das Ehepaar seit langem auch als Alpsteinclub-Mitglieder. Mit ihrem «Aussenstandort Schönengrund» möchten beide das Bodenständige, die Nähe zur Appenzeller Kultur und zu den Bergen noch so lange es die Gesundheit zulässt in vollen Zügen geniessen. Ganz gemäss ihrem Motto: «Wir leben in den Tag hinein.»

Matthias Bruelisauer

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