Tritonus heisst die erfolgreiche und bekannte Band, die Urs Klauser 1985 zusammen mit ein paar Gleichgesinnten gründete. Sie waren wie er auf der Suche nach alter Schweizer Volksmusik. Klauser interessierte sich auch für historische Instrumente und widmete sich deren Herstellung.
Seit bald 40 Jahren sucht das Musikensemble Tritonus nach vergessener Schweizer Volksmusik und verbindet sie mit modernen, zeitgenössischen Klängen, sogar mit Jazz. Momentan arbeiten die Bandmitglieder an einem neuen Konzertprogramm unter dem Arbeitstitel «une und obe».
Für dieses Projekt suchte Urs Klauser nach Melodien und Liedern aus den unteren und oberen Gesellschaftsschichten der Schweiz um 1800. Das war die Zeit der Napoleonkriege, der Hungersnot 1817/1818 oder des Bergsturzes in Goldau 1806. Besonders die Lieder der einfachen Menschen geben einen tiefen Einblick in das Leben von einst. Sie zeigen Not, Armut, den Kampf ums Überleben und die Angst vor Strafe. Sie zeigen das Schicksal von jungen Frauen, die ungewollt schwanger und zu Kindsmörderinnen wurden. Es gab nirgends Hilfe ausser im Gebet. Ganze Lebensschicksale zeigen sich in den einfachen, gereimten Texten. «Diese wurden meistens nur mündlich weitergegeben», sagt Klauser, «und zu einer Melodie gesungen, die leider nicht immer überliefert wurde.». Auch über die Musikpraxis der Volksmusik früherer Jahrhunderte wisse man nur sehr wenig. Aus der Zeit um 1800 sind in Handschriften der gehobenen Gesellschaftsschichten jedoch viele schöne Melodien, Lieder und Schäferromanzen überliefert, die das einfache Leben aber oft verherrlichen.
Schweizer Dudelsack
Für die intensive Forschungsarbeit wurde das Ensemble Tritonus schon vor Jahren mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Auf ihren drei bisher veröffentlichten CDs sind neben alter Volksmusik und Liedern aus der ganzen Schweiz auch Alpsegen, Kuhreihen, Geissreihen und Löckler zu hören.
Noch vor zwei- oder dreihundert Jahren klang die Volks- und die Appenzeller Musik ohne Klarinette oder Handorgel ganz anders als heute. Beliebt waren früher die Schalmei (Holzblasinstrument mit Doppelrohrblatt und konisch gebohrter Röhre) und der Schweizer Dudelsack, auch Sackpfeife genannt. In der Berner Altstadt auf dem Pfeiferbrunnen in der Spitalgasse ist noch eine Figur mit einer Sackpfeife zu sehen. Urs Klauser rekonstruierte sie im Jahr 1978 und brachte sie in die Volksmusik zurück.
Während Jahren widmete sich Urs Klauser der Herstellung solch alter Instrumente, die nirgends zu kaufen waren. Diese Instrumente werden neben Geige, Hackbrett und Bassgeige vom Ensemble Tritonus bei Aufführungen gespielt. Der Begriff Tritonus bedeutet übrigens ein musikalisches Intervall, das drei Ganztöne umspannt und früher in vielen Volksmusikstücken vorkam. Die Besetzung der Gruppe wechselte während der fast 40 Jahre mehrmals, angefangen bei der Gründung vom Duo Urs Klauser und Beat Wolf bis zu sieben oder acht Personen, die zusammen spielen und singen. Auf Tourneen war die Gruppe unter anderem auch an die Expo in Sevilla und Shanghai eingeladen.
Lehrer und Musikant
Urs Klauser kam 1974 als junger Primarlehrer nach Bühler und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung. Mit seiner Frau Kathrin Grieder bewohnt er im alten Dorfteil neben der evangelischen Kirche ein Appenzeller Haus. Kathrin Grieder amtete in der Gemeinde während acht Jahren als Gemeinderätin und als Präsidentin der Baubehörde. Dank ihr, die ihm stets den Rücken freihielt, war es ihm möglich, sich so intensiv mit Musik auseinanderzusetzen. Er arbeitete zusammen mit vielen Appenzeller Musikanten: mit Noldi Alder, mit dem Historiker Hans Hürlemann aus Urnäsch und ebenso mit Joe Manser aus Appenzell, dem langjährigen Leiter des Roothuus Gonten, dem Zentrum für Appenzeller- und Toggenburger Volksmusik. Er sei glücklich über das Roothuus Gonten, sagt Urs Klauser. Hier würden die alten Handschriften und Melodien archivarisch geordnet und sicher aufbewahrt, es werde aber auch geforscht und vermittelt. Das sei für ihn eine grosse Beruhigung. In Zusammenarbeit mit Joe Manser ist auch die Transkription des Liederbüchleins der Maria Josepha Barbara Brogerin aus dem Jahr 1730 entstanden. Sie ist unter dem Titel «Mit wass freüden soll man singen» in zwei Auflagen erschienen. Die Brogerin war eine Klosterfrau im Kloster Maria der Engel in Appenzell.
Sackpfeife, Schalmei und Schwegel
Urs Klauser spielt mehrere Blas- und Saiteninstrumente, vor allem historische. Eines seiner Lieblingsinstrument ist der Dudelsack. Der korrektere und ältere Name sei eigentlich Sackpfeife, nicht Dudelsack, sagt er. Letzterer werde hauptsächlich mit der schottischen Tradition und den dazugehörigen karierten Röcken in Verbindung gebracht. «Viele Schweizer wissen nicht einmal, dass dieses Instrument auch bei uns einmal heimisch war, ausser die Berner», meint er mit einem Lächeln. Klauser ist immer auf eine Sache konzentriert und hat doch stets hundert Dinge im Kopf. Sein Wissen auf diesem Gebiet ist enorm. In seiner Werkstatt baute er insgesamt etwa 40 historische Musikinstrumente, vor allem Sackpfeifen, aber auch Schwegel (Querpfeifen), Schalmeien und Chalumeaux (Holzblasinstrument mit einfachem Rohrblatt).
Text und Bild: Esther Ferrari. Dieser Artikel wurde dem p.s.-Magazin freundlicherweise von der Zeitschrift «St.Galler Bauer» zur Verfügung gestellt.