Pensionierte sind willkommene Chauffeure

0 Shares

Die zunehmende Überalterung der Bevölkerung führt dazu, dass Pensionierte vermehrt arbeiten. Besonders im Bereich der Fahrdienste sind sie gern gesehen, da sie nicht nur zuverlässig sind, sondern ihre Tätigkeit auch als sinnvolle Beschäftigung schätzen – eine echte Win-Win-Situation.

In meiner Jugend fuhr Frau Gloor Schulbus. Die ältere Frau sammelte zu den unterschiedlichen Unterrichtszeiten die Schülerinnen und Schüler von den verschiedenen Aussenhöfen unseres Dorfes ein und brachte sie jeweils wieder nach Hause. Zuverlässigkeit und Flexibilität waren gefragt. Herr Schärer war ihre Vertretung. Sie organisierten sich jeweils selbst. Bei mir kam sie pünktlich um 7.45 Uhr vorbei – genau rechtzeitig für den Unterrichtsbeginn um 8 Uhr. Den VW-Bus hörte man jeweils schon brummen, bevor er um die Kurve bog. Sie begrüsste einen freundlich und übertraf mit ihrer guten Laune aus meiner Perspektive jeweils das formelle «Guten Morgen» unseres Lehrers. Der Einstieg in den Tag war somit gelungen. Damals hielt ich ihre Verlässlichkeit für selbstverständlich. Ob die Schule um 8 Uhr oder vor 9 Uhr begann, um 14.45 Uhr oder 15.30 Uhr endete, sie war stets da. In ihrem Tagesplan müssen wohl auch viele Wartezeiten vorgekommen sein. Rückblickend wird mir bewusst, dass eine Festanstellung als Schulbusfahrerin bei diesen flexiblen Zeiten kaum finanzierbar gewesen wäre, wenn auch Leerzeiten vergütet werden müssten. Heute sind Schulbusfahrten – sofern sie überhaupt noch existieren – auf Hauptzeiten reduziert. Dank der Tagesstrukturen an Schulen stehen Aufenthaltsräume für die Kinder bereit. Seit den 1970er Jahren wurde der öffentliche Verkehr auch in dünn besiedelten Gebieten ausgebaut, was Schulbusse teilweise obsolet machten. Der Gang zur Haltestelle des Linienbusses ist dabei allerdings oft weiter, als es jener zur Pickupstelle des VW-Büslis war. In meiner Gemeinde wurde der Schultransportdienst gänzlich gestrichen. Kinder müssen heute bis zu zwei Kilometer zu Fuss oder mit dem Fahrrad zur Schule zurücklegen – immerhin nicht entlang von Hauptstrassen. Alternativ übernehmen Elterntaxis diese Aufgabe, was jedoch ungern gesehen wird, da der gemeinsame Schulweg eine wichtige soziale Funktion hat.

Seniorinnen und Senioren sind fit

Auch wenn Schulgemeinden heute keinen so umfassenden Busservice wie früher finanzieren können, gibt es weiterhin Fahrangebote für entlegene Gebiete. Rentnerinnen und Rentner könnten hier eine wertvolle Rolle übernehmen – so wie einst Frau Gloor. Sie verfügen über die nötige zeitliche Flexibilität und finanzielle Unabhängigkeit. Wer auf ein volles Einkommen angewiesen ist, kann sich auf ein geringes Pensum mit unregelmässigen Einsätzen kaum einlassen. Für Pensionierte hingegen bieten Fahrdienste eine sinnvolle Tätigkeit, die den Alltag strukturiert. Dank ihrer Lebenserfahrung und Gelassenheit sind sie ideal für diese Aufgabe geeignet – vorausgesetzt, ihre Fahrfähigkeit entspricht den Anforderungen. Angesichts der gestiegenen Lebenserwartung und besseren Gesundheit im Alter trifft dies heute häufiger zu als früher.

Der Fachkräftemangel wird zunehmend zu einem gesellschaftlichen Problem

Jeder dritte Busfahrer in der Schweiz geht bald in Rente. Fehlt Personal bei Linienbusbetrieben, fehlt es bei Fahrdienstleistenden erst recht. Neben Schulen sind Organisationen wie Spitex, das Rote Kreuz oder Pro Senectute auf Fahrerinnen und Fahrer angewiesen. Auch Behindertentaxis wie das «Tixi» (siehe Kasten), Lieferdienste von privaten Botendiensten oder Mahlzeitenservices suchen oft nach Aushilfen oder flexiblen Fahrerinnen und -fahrern. Besonders zur Mittagszeit und am frühen Abend steigt der Personalbedarf sprunghaft an – Zeiten, in denen es sich nicht lohnt, feste Stellen zu schaffen, da vormittags und nachmittags weniger Bedarf besteht. Postdienstleistungsfirmen wie z. B. Quickmail benötigen Postzustellpersonal für gewisse Dörfer oder Quartiere. Die Arbeit erfolgt auf Abruf, ohne feste Bürozeiten. Interessierte sollten sich direkt bei den Anbietern melden, da viele Stellen nicht mehr in Zeitungen inseriert werden, sondern online oder über soziale Netzwerke vermittelt werden, etwa in Facebook-Gruppen wie «Du bisch vo XY, wenn du…». Zusätzliches Einkommen neben der AHV ist übrigens erlaubt: Bis zu einem Betrag von CHF 16 800 jährlich sind keine Beiträge an die AHVAusgleichskassen fällig.

Tixi fahren als soziales Engagement

Fahrerinnen und Fahrer im Rentenalter sind nicht ungewöhnlich. Bei Tixi St.Gallen machen sie gar die Mehrheit aus, wie Geschäftsführer René Metzger ausführt. Von den 77 Fahrerinnen und Fahrer seien 71 im Rentenalter. Dazu kämen noch 13 in der Zentrale, welche alle bereits pensioniert sind. Sie arbeiten alle freiwillig und ehrenamtlich ohne Entlöhnung. Nur so ist es möglich, den Fahrpreis niedrig zu halten und Behinderten und Betagten trotz körperlicher Schwierigkeiten mehr Mobilität zu geben. «Unsere Fahrerinnen und Fahrer kommen gerne», so René Metzger. «Neben der Beschäftigung, die ihnen Spass bereitet, ist es auch der Sinn dieser Arbeit, welcher sie zu diesem Freiwilligeneinsatz ermuntert. Sie fahren mit Freude. Neben einem Führerausweis der Kategorie B, etwas Fahrpraxis und Sozialkompetenz haben, müssen sie auch einen Rollstuhl schieben können. Die Einsätze sind Schichtweise halbtags oder ganztags je nach Wunsch», erklärt er. Eine Zusatzausbildung sei keine nötig. «Anwärterinnen und Anwärter sind immer willkommen. Sie werden von uns eingeführt.» Auch der Rotkreuz-Fahrdienst im Appenzellerland sucht immer Fahrer.

Freiwilligenarbeit
www.benevol.ch


SRK Kantonalverband beider Appenzell
www.srk-appenzell.ch


Tixi Verein St.Gallen
www.tixi.ch

p.s. Magazin

Jetzt Beitrag teilen: