Interessiert bleiben

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Neugier ist die beste Antriebsfeder für nachhaltiges Lernen. Christine Knaus lebt und fördert diesen Grundsatz.

Christine Knaus hat in Herisau das intergenerationelle Projekt Lesementoring angestossen. Weshalb? Im Gespräch erklärt die 70-Jährige: «Als ich mich mit meiner Pensionierung beschäftigen musste, erkannte ich, dass ich grossen Respekt vor dieser neuen Lebensphase hatte. Das Ohne-Arbeit-Sein gab mir zu denken.» Denn Knaus wollte weiter lernen und den Austausch mit Menschen aller Generationen pflegen.

Losgelöst vom Schulzimmer lernen

Im CAS-Lehrgang «Bildung und Lernen im Alter» hatte sie das Luzerner Lesementorenprojekt kennengelernt. Es bringt Seniorinnen und Senioren mit Kindern zusammen, damit diese einen besseren Zugang zur Welt der Sprache erhalten. «Das Schulzimmer ist nicht für jedes Kind ein guter Lernort», erkannte sie: «Ich dachte deshalb, dieses Lernmodell wäre auch etwas für Herisau.» Kinder sollen sich losgelöst von Leistungsdruck Wissen aneignen können. So geschieht Sprachentwicklung und -förderung beiläufig. Das Lesementorenprojekt versteht sich dabei aber ausdrücklich nicht als Hausaufgabenhilfe oder Förderunterricht. Sein Ziel ist, die Lust am Buch, an der Bibliothek zu entdecken. Die Leseorte werden ausserhalb des regulären Unterrichts im öffentlichen Raum gewählt.

Was interessiert bleibt besser haften

Auf die Wünsche des Kindes wird Rücksicht genommen. «Interessenorientiert arbeiten ist sehr viel wirksamer», weiss Knaus. Denn der Mensch ist von Natur aus neugierig. Was interessiert, wird aus eigenem Antrieb vertiefter gelernt. Da setzt das Projekt an und es ergibt sich eine Win-Win-Situation für zwei Generationen. «Der Vorschlag für die Lektüre sollte vom Kind kommen und nicht vorgegeben werden», beschreibt Knaus das Konzept. So kann auch der Senior oder die Seniorin Erfahrungen gewinnen. Oder wie Christine Knaus es in Worte kleidet: «Lernen im Alter ist, die Fähigkeit zu behalten, sich neuen Situationen anzupassen und aktiv zu interagieren».

Praktikum im Blumenladen

Nun liegt ihr Augenmerk darauf, das erste Ausserrhoder Lesementorenprojekt durch die Startphase zu begleiten, bevor sie sich einem neuen Vorhaben zuwendet. Was das sein wird, steht offen. An Ideen und Aufgeschlossenheit mangelt es ihr nicht. So hat sie zum Beispiel kürzlich erst ein Praktikum in einem Blumengeschäft absolviert. Knaus verwirklichte sich damit einen Berufswunsch aus jungen Jahren. «Ich wollte einst Blumenbinderin werden», blickt sie zurück und fährt fort: «Das Praktikum war deshalb wahnsinnig schön. Ich durfte nochmals etwas aus einer völlig anderen, längst vergangenen Lebensphase erleben. Das hat mich sehr erfüllt.»

Mit dem Bulli durch Europa

Trotz ihrer Freude an Blumen hat sie sich ihr ganzes Berufsleben lang mit Pädagogik beschäftigt. Doch sie bereut ihren Lebensweg nicht. Ein Weg, der sie in der Freizeit an zahlreiche schöne Orte geführt hat. «Vom Pfarrer, der uns getraut hat, haben wir damals einen Bulli-Bus gekauft. Damit reisen wir nun seit bald vierzig Jahren durch Europa.» Besonders angetan hat es ihr das Baltikum. Sie schwelgt in Erinnerungen, wenn sie daran denkt, wie sie und ihr Mann, die beiden Söhne plus ein Hund mit dem Zelt unterwegs waren. Mittlerweile ist Knaus zweifache Grossmutter und die Reiserouten sind kürzer geworden. Doch Langeweile ist nicht in Sicht. Neben Bewegung an der frischen Luft, Krafttraining und sozialen Kontakten liest sie leidenschaftlich gerne – was ihren Wissensdurst stillt und gleichzeitig anregt. Denn sie findet in ihrer Lektüre immer wieder neue Themen, die erforscht werden wollen. «Meine Energie schöpfe ich aus der Vielfalt meiner Tätigkeiten», sagt Knaus: «Und Freude finde ich, indem ich meinen Blick darauf richte, was ich noch kann.»

Matthias Bruelisauer

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