Hält der Herbst Einzug, spriessen die Pilze

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«Man sieht das ganze Jahr nichts und plötzlich stehen die Fruchtkörper da und nach ein paar Tagen ist der ganze Spuk wieder vorbei», sagt Matthias Müller aus Heiden. Er ist begeistert von Pilzen und bewandert auf dem Gebiet. Der Präsident des Pilzvereins Appenzell und Pilzkontrolleur macht die Welt der Pilze für jedermann zugänglich – so etwa mit Exkursionen, Vorträgen oder Lernmaterialien.

Mit Stiel und Hut im Wald

«Pilze haben seit je her etwas Magisches, Zauberhaftes. Die Pilz-Fruchtkörper sind wunderschöne Erscheinungen, bei näherer Betrachtung entdeckt man allerlei wundersames. Der Gegensatz zwischen Gefahr und Tod auf der einen und Ästhetik und Gaumenschmaus auf der anderen Seite ist Faszination pur», schwärmt Müller. Seine Liebe für die Gewächse mit Hut und Stiel fand er, als er sich mit Freunden auf die Suche nach Steinpilzen und Eierschwämmen machte. «Wir fanden alles, nur keine Steinpilze und Eierschwämme», lacht er in der Rückblende und erzählt: «Nahezu jeder Pilz wurde als giftig taxiert, was mich neugierig machte, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass so viele Pilze giftig sein sollten.» So begann er, laufend mehr Zeit in das Bestimmen von Pilzen zu investieren. Und mit einem Schmunzeln fügt er an: «Doch die Anzahl der unbekannten Arten wird trotz stetigem Wissenszuwachs gefühlt nicht wirklich kleiner.»

Ein Hobby für alle

Das Sammeln von Pilzen ist allen Altersgruppen empfohlen. Vorsicht gilt es walten zu lassen, wenn man sich in unwegsames Gelände begibt. Nötig sind waghalsige Ausflüge nämlich nicht. Denn Pilze wachsen überall, weiss der Profi. Die einen mögen den Halbschatten, andere sehr viel Nässe und Schatten und wieder andere brauchen nur einen kurzen Regen auf trockenen Boden, um zu spriessen. So gibt es auch entlang der Waldstrassen etwas zu finden. Dort soll einfach möglichst nicht bei Hunde-Aborten gepflückt werden, warnt Müller mit einem Augenzwinkern.

So ist man dabei

Als Vorbereitung für eine Sammeltour braucht es eigentlich nicht viel. «Ein Korb bietet sich an, dass die gesammelten Exemplare auch nach zwei Stunden Waldspaziergang noch ganz und bestimmbar sind», erklärt Müller und fährt fort: «Mit kleinen, offenen Behältern können die Pilze sortiert und zur Kontrolle gebracht werden. Ein Taschenmesser, ein Backpinsel und ein Einsteiger-Pilzbuch – zu Anfang reichen Bücher mit 250 Arten – erleichtern den Start.» Neulingen kann eine geführte Exkursion durch Pilzkontrolleurinnen und -kontrolleure des Pilzvereins Appenzell ausserdem ein erstes Basiswissen geben. Damit vermeidet man Kardinalsfehler. Ein solcher ist zum Beispiel das Sammeln im Plastiksack. Dies bedeutet häufig den sofortigen Tod bester Speisepilze.

Häufige Fehler

Aber auch das Übereinanderschichten vieler und verschiedener Pilze ist nicht ratsam. Denn viele Pilze sind druckempfindlich und gehen dabei kaputt. Ausserdem sind Riesen-Steinpilze häufig weich, zu alt und/oder madig. Da sind Bauchschmerzen vorprogrammiert. Die grössten Fehler zeigen sich jedoch in der jährlichen Vergiftungsstatistik: Halbwissen und Gier. Für den Menschen tödlich sind einige Wulstling-Arten, zu denen die Knollenblätterpilze, der Pantherpilz und auch der bestens bekannte Fliegenpilz gehören. Des Weiteren beinhalten die kleinen Schirmlinge und der Nadelholzhäubling den selben Giftstoff wie die Knollenblätterpilze, was bei etwa einem Gramm Pilz pro Kilogramm Körpergewicht unbehandelt tödlich ist.

Die Giftigen sind interessanter

Am meisten gesammelt werden hierzulande der Steinpilz, der Eierschwamm und die Morchel. Müllers Favoriten hingegen sind etwas aussergewöhnlicher. Seine Lieblingspilze sind die Herbsttrompeten, Trompetenpfifferlinge und die Hexenröhrlinge, sowie der Parasol, allesamt sehr aromatische Pilze. «Allerdings verschenke ich über neunzig Prozent meiner gefundenen Speisepilze», sagt er und erklärt: «Natürlich nehme ich einen frischen schönen Steinpilz mit, gehe aber nicht extra auf die Suche nach ihm. Für mich sind die speziellen, seltenen und giftigen Arten viel interessanter.»

Weiterbildung ist wichtig

In seinem Korb habe es immer eine grosse Vielfalt an Pilzen in den verschiedensten Farben und Formen. Denn eine ständige Weiterbildung sei für ihn als Pilzkontrolleur sehr wichtig, sagt Müller. Weil bei den Kontrollen keine Zeit ist, in Büchern nachzuschlagen, wird die Erfahrung und das Lernen mit allen Sinnen zentral. Viele Pilze würden sich über den Geruch verraten, weiss Müller. Denn sie können beispielsweise nach Rettich, Anis, Bittermandel, Marzipan oder nach Maggi riechen. Dabei enthüllt er auch sein Lieblings-Pilzgericht: Winterfusili, ein Pastarezept mit Federkohl und Herbsttrompeten an einer Nuss-Käse-Sauce.

Aus eigener Zucht

Wer sich nicht erst auf die Suche nach Pilzen machen möchte, kann sie auch daheim ziehen. Als Zuchtklassiker gilt der Austernseitling. Um ihn ernten zu können, braucht es Buchenholz, Pilzbrut auf Dübeln oder Sägemehl und einen Bohrer. Ins Holz werden Löcher gebohrt und mit der Pilzbrut befüllt. Sobald das Holz vom Pilz durchwachsen ist, stellt man es an den feuchtesten und schattigsten Ort in der Umgebung. Einen guten Rat von Matthias Müller gilt es zu beherzigen, wenn man seinen Zuchterfolg auf dem Teller sehen will: «Da auch Schnecken gerne Zuchtpilze mögen, muss man wachsam sein.»

Tipps

Hier ein paar ganz allgemeine Empfehlungen von Matthias Müller, wie man beim Pilzsammeln und -zubereiten vorgehen soll:

  • Von unbekannten Pilzen sind nur zwei Exemplare mitzunehmen (nach Möglichkeit ein älteres und ein jüngeres);
  • Man muss über Schonzeiten Bescheid wissen (besonders in Graubünden, St.Gallen und Zürich) und die Sammelbestimmungen kennen (maximal zwei Kilo pro Tag und Person);
  • Die Pilze sollen getrennt nach gleichen Arten gesammelt werden;
  • Man soll vor! dem Genuss zur Pilzkontrolle gehen;
  • Pilze sind gut durchzugaren (15 bis 20 Minuten);
  • Nicht mehr als 200 Gramm Pilze pro Person und Mahlzeit essen. Denn Pilze sind schwer verdaulich und daher Beilage und keine Hauptmahlzeit.
Matthias Bruelisauer

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