«Sie hend mi nüd möge cheere»

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Hans Rechsteiner ist kein Riese und schon gar kein Schwergewicht. Dennoch hat er es in jungen Jahren zu grossem Erfolg auf dem Schwingplatz gebracht. Der heute pensionierte Landwirt erfreut sich trotz – oder vielleicht gerade wegen – harter körperlicher Arbeit und zahllosen Kraftakten im Spitzensport bester Gesundheit.

Ein Mann mit 73 Kilo und einer Körpergrösse von 1,74 Metern entspricht nicht dem gängigen Bild eines Schwingers. Und dass er dazu noch eichenlaubbekränzt aus dem Sägemehlring steigen kann, halten wohl die Wenigsten für möglich. Der heute 80-jährige Herisauer Hans Rechsteiner hat in den 60er-Jahren die Sportszene eines Besseren belehrt. Seinen grössten Triumph verbuchte der ehemalige Landwirt 1966 in Frauenfeld, als er den eidgenössischen Kranz holte und sich damit in die ewige Tabelle der «Eidgenossen» reihte. Rechsteiner war auf dem Höhepunkt seiner zehnjährigen Karriere als aktiver Schwinger.

Mit Köpfchen vorgehen

1967 gelang ihm ein weiteres Husarenstück, als er am Rheintal-Oberländischen die Siegesserie des übermächtigen Ruedi Kobelt beenden konnte. Wie gelangen dem kleinen Athleten solche Erfolge? «Di Schwäre magsch jo nüd lopfe, die mosch söss irgendwie chöne ablegge», sagt der pfiffige Ausserrhoder, der einen Weg fand, den Nachteil wettzumachen. Mit seiner Spezialität, dem «Tannerschwüngli», hat er scheinbar haushoch überlegene Gegner überrascht und auf die gültige Seite gedreht. «Denn bruchts gad no e ‹Zwickli›», Gewicht und Grösse des Kontrahenten spielen eine untergeordnete Rolle. Darüber hinaus «hends mi amel nüd möge cheere», sagt der zähe und drahtige Rentner im Rückblick. Ein Schwingstil, der beeindruckte und gefiel: «Eidgenossenschreck und Publikumsliebling» titelte die Schwingerzeitung «Schlussgang». Darauf angesprochen, wird Rechsteiner fast verlegen: «Sonnenlicht habe ich gerne, aber nicht Rampenlicht», bleibt er bescheiden.

Arbeit als Training

Wären solche Siege heute noch möglich? «Wenns nüd gängt, möst i mer nebis Neus iifalle loh», meint er verschmitzt. Der Trainingsaufwand sei schon zu seiner Zeit gross gewesen. Sogar zuhause in der «Heutili» habe man abends und bei schlechtem Wetter geschwungen. Ein Unterschied sei höchstens, dass die nachrückenden Generationen mehr Zeit im Kraftraum verbringen, da sie im Beruf weniger heben und tragen müssen.

Rückhalt der Familie

Eine weitere Grundlage für seinen Erfolg war die Familie. Wenn der ehemalige Spitzenschwinger von seiner Frau und den drei Kindern spricht, nennt er sie ein Geschenk. «Mer isch es guet gange, ohni seu hettis nüd chöne mache.» Damit meint er auch die Arbeit auf dem Hof, den er schon mit 23 Jahren übernehmen musste, weil sein Vater verunglückt war. Er selber blieb von grösseren Unfällen verschont. Neben Kleinigkeiten, wie Verstauchungen, sei er immer gesund geblieben. Angesprochen auf Folgeschäden oder Schmerzen sagt Rechsteiner: «I merke gää nütz.» Damit dies so bleibt, hält er sich mit Waldarbeiten fit. Dabei kann er gelegentlich auch einen Blick auf das Übungsgeschehen der Herisauer Schwinger erhaschen, denn der Schwingplatz Langelen steht in seinem Wald.

Matthias Bruelisauer

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